In diesem Hilferuf erscheint es wichtig, die zwei Begriffe „süchtig“ und „Beziehung“ sorgfältig zu definieren.
„Süchtig“ meint, dass wir glauben, ohne ein bestimmtes Element, sei es eine Substanz, ein Verhalten, eine Person, einen Status u.v.m., nicht leben zu können. Wenn dieses Element wegfällt, durch einen Entzug jeglicher Art, entstehen Entzugserscheinungen. Diese Entzugserscheinungen können sich auf der körperlichen und/oder seelischen und geistigen Ebene manifestieren. Dass bedeutet wiederum, dass der Betroffene auf die eine oder andere Weise eine heftige Leidens-Odyssee durchleben wird.
Die entstandene Leere reisst verschiedenste Wunden auf, die den Betroffenen enorm stark auf sich selbst zurückwerfen. Dabei ist die Gefahr gross, dass der Betroffene sich eine neue Sucht sucht, wenn ihm die alte nicht mehr zu Verfügung steht.
Im weitesten Sinne kann man unter Beziehung all das verstehen, zu dem man eine Beziehung eingehen kann. Das kann zum Beispiel eine Beziehung zum Essen, zum Materiellen, zum Körper, zum Spirituellen, zum Sport, zur Musik oder zu Menschen sein. Wenden wir uns in dieser Fragestellung der Beziehung zwischen Partnern zu.
Was geschieht, wenn ein Mensch nicht alleine sein kann, er quasi süchtig nach Beziehung ist?
Wenn er nicht alleine sein kann, so fehlen ihm vermutlich diverse Ressourcen. Die Fähigkeit, auch alleine mit sich selbst sein zu können, gehört zur menschlichen „Grund-Voraussetzung“, um gesund und harmonisch leben zu können. Wenn ein Mensch mit sich selbst nicht klar kommt, so definiert er sich über andere. Er benötigt unbedingt jemanden, der ihm gut tut, der ihn lobt, unterstützt oder liebt, denn er genügt sich selber nicht und fühlt sich unvollkommen. Wenn man sich selbst nicht genügt, sich unvollkommen fühlt, hat man die Verbindung zum grossen Ganzen verloren und versucht nun über eine Beziehung, diesen Verlust des Gefühls der Verbundenheit zu kompensieren.
Jede Sucht kann als Ausdruck einer unbewussten Sehnsucht angesehen werden, in der man wieder die Anbindung an das eine grosse Ganze sucht. Der einzelne Mensch fühlt sich alleine und ohnmächtig und sucht so in der Partnerschaft die Ergänzung oder gar sein Heil. Dies kann für eine ganze Weile gut gehen, aber irgendwann kommt das grosse Erwachen, dass nämlich der andere nicht das Heil und der Sinn des eigenen Lebens ist. Viele Menschen fallen dann in eine grosse Krise – man könnte hier von einer spirituellen Krise sprechen.
Wie gehen wir als Coach/Therapeut in solch einem Fall vor?
Die Ich-Stärkung steht auch hier wieder an vorderster Front. Damit sich die erkannte Krise nicht in eine negative Abwärtsspirale entwickelt, gehört das Stabilisieren der Persönlichkeit ganz stark in den primären Fokus. So können Gefühle von Trauer, Ohnmacht, Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit abgefedert werden. Ein Dialog kann entstehen, das Betrachten der eigenen Situation, deren Entstehen und Analyse können so in erträglicher Form durchlebt werden. Koppelt man all dies an eine eingängige Form von entspannender Methode, etwa der Hypnose oder dem Autogenen Training, ermöglicht es dem Klienten zusätzlich und ausserhalb der Sitzungen selbsttätig achtsam und relaxed zu sein.
Welche therapeutischen Schritte können folgen?
Nach der Ich-Stärkung können wir uns der „Schattenarbeit“ und somit dem Unterbewussten zuwenden. Das heisst, dass wir uns im Coaching den unbewussten oder noch nicht verarbeiteten Erlebnissen und Prägungen zuwenden, die Auslöser für das Muster „Süchtig nach Beziehung“ sein können. Der erste Schritt ist wohl die Verarbeitung dieser Erlebnisse. Mit Hilfe der Time-Line können wir diese Erlebnisse auffinden und mit verschiedenen Methoden, wie z.B. dem Kinomodell oder den Swish-Techniken, auflösen und die positiven Erkenntnisse in einem Rerframing verinnerlichen und somit in das neue, leichtere Leben transferieren. Die nächsten Schritte, die wir einem Klienten anbieten können, sind die Selbstakzeptanz, Selbstliebe, Selbstverantwortung, Selbstführung und Selbstverwirklichung.
In kleinen Schritten wird er im Alltag das Erlernte peu à peu anwenden, seine Erfahrungen machen, sich beobachten und durch ein sorgfältiges Coaching durch die Selbstreflexion geführt werden.
Sicher ist dies ein Prozess, der über eine längere Zeit stattfinden wird. Es ist ein Weg zu sich und in die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit sowie eine Chance auf eine echte Beziehung zu sich selbst und einem Partner/ einer Partnerin.
Ja – meistens eine spannende Lebensaufgabe!
Silvie Gloor & Barbara Prinzing
Bildquelle: Bild von pixel2013 auf Pixabay
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